Transkaukasien!

Eine etwas andere Reise als sonst. Es beginnt schon mit der Anreise, die aus Zeitgründen nicht „on Road“ erfolgt. Das Motorrad wurde vorher per Spedition nach Tiblissi verfrachtet und ich fliege hinterher. Der Rücktransport nach 5 Wochen ebenso! 5 Wochen also, was soll man hier schreiben, was soll man „weglassen“?

Mit dem Nachtflug komme ich in Tiblissi an und begebe mich zu Spedition. Mit dem Motorrad fahre ich in die Stadt. Mein Hostel befindet sich nahe der Burg und ich habe ca. 500 m Kopfsteinpflaster mit einer Steigung von 45 Grad (100 %) mit vollem Gepäck zu überwinden. Ich gönne mir einen Tag als Akklimatisation. Meine Lieblingsbeschäftigung ist es, den Autofahrern zuzusehen, wie sie sich den Berg hinaufquälen, teilweise im Vollgas, teilweise wird der Motor abgewürgt.

Mein Höflichkeitsbesuch beim Pastor ist ernüchternd, aber ich hatte auch Nichts erwartet. Er ist pensionierter Diplomat und hat auf Grund seines Theologie-Studiums hier noch ein paar Jahre als Pastor/Probst bzw. Bischof für Georgien, Armenien und Aserbejan im Dienst der lutherischen Kirche drangehangen. Er konnte erreichen, dass große Teile des Kirchengeländes wieder zurückübertragen wurden und er betreut die kleine Gemeinde. Alle Aushänge sind in Russisch, Georgisch und Deutsch!

Aus politischen Gründen muss ich zuerst nach Azerbejan. Warum nur müssen sich muslimische Länder so ähneln? Man meint in Disneyland 4 zu sein, dabei geht es den Leuten wirklich nicht gut. So oder so ähnlich muss in Nord-Korea aussehen. Der Fahrstil ist, obwohl es weniger Fahrzeuge gibt, unerträglich! Von wegen: Fahr vorsichtig!

Annenfeld in Azerbeijan muss seinerzeit reich gewesen sein. Von den 40 000 Einwohnern ist keiner aus der Verbannung zurückgekehrt. Den angebotenen Tee beim Wachmann der ehemaligen deutschen Kirche schlage ich nicht aus, auch wenn ich nicht alles verstehe was er mir erklären will. Aber in das Gästebuch der Kirche trage ich mich ein. Ich bin in den letzten 10 Tagen der zweite Eintrag! Die ganze Straße um die heute ungenutzte Kirche sieht sehr deutsch aus. Alles hat mehr oder weniger mit Wein zu tun.

Baku! Ich verstehe nicht, dass man nach Kuba muss, um Exotisches zu erleben. Kommt hierher, Leute! Alles ist da! Baku hat es! Moderne Bauten, halbwegs gute Infrastruktur und keinen Massentourismus. Die Altstadt ist UNESCO Weltkulturerbe und erstreckt sich auf über 20 ha. Es erinnert ein wenig an die Kasbah in Tripolis oder Tunis, aber hier lebte die Oberschicht! Also ist alles ein wenig eleganter und wird liebevoll erhalten. Viele Botschaften haben hier ihren Sitz. Die Paläste aus Glas und Beton überragen die Stadt. Die Preise sind erschwinglich. Das Klima ist durch die See angenehm. Ständig weht ein leichter Wind, der die Hitze erträglich macht. Die meisten Touristen kommen aus den arabischen Ländern. Das erklärt auch die (wenigen) total verschleierten Frauen. Es ist schon putzig, ihnen beim Essen zuzuschauen! Die Hotels sind in der Hauptsaison ausgebucht. Einziger Nachteil des Landes: Die Hauptattraktionen liegen weit auseinander.

Bei der Begegnung mit flüchtigen Bekannten erfahre ich am Biertisch viele interessante Dinge über dieses Land, so „Those, who escape, will survive!“. Alle Konflikte spielen sich unter der Oberfläche ab. Andererseits kann ich in diesem Land viele Moscheen genauso besuchen wie viele Kirchen und Synagogen!

Später bemerke ich, dass in den Hochhäusern ringsum keine Lichter brennen. Der Quadratmeter Wohnraum kostet in diesem Viertel ca. 5000 Dollar. Nur ca. 5 Prozent der Wohnungen (eher weniger!) sind verkauft und stehen als Kapitalanlage leer. Am nächsten Tag bemerke ich, dass es in Baku viele solcher Viertel mit mehreren hundert Wohnungen gibt, die komplett leer stehen.

Zu den Sehenswürdigkeiten in Baku gehört unbedingt der Feuertempel der Zaraoster und das Feuer, das aus der Erde kommt. Da beide Orte in entgegengesetzten Richtungen liegen, lernt man ein wenig von der Umgebung der Stadt kennen. Aber auch die Felszeichnungen und die Schlammgeysire im Süden sind sehenswert. Und weil Sonntag ist gehe ich in die Lutheraner Kirche in Baku und bleibe auch zum Tee.

Die ländliche Umgebung im Süden und Süd-Westen ist Halbwüste. Dort, wo die Kanäle aus den Sowjetzeiten noch funktionieren, betreibt man Landwirtschaft. Aber Baumwolle sucht man vergeblich. Die Straßen sind im unterschiedlichen Zustand und teilweise muss ich im Stehen fahren. Benzin wird unterwegs in Flaschen literweise angeboten. Im Norden hingegen erstreckt sich die Ausläufer des Kaukasus mit einem gemäßigten Klima. Er ist „Naherholungsgebiet“ und das bezaubert durch tiefe Canyons und viele Bäume. In 2300 m Höhe befindet sich das höchste Dorf Europas.

Gabala war die erste Hauptstadt von Albanien für 900 Jahre seit dem IV Jahrhundert vor Christus. Die Römische Armee griff Albanien ca. 60 Jahre vor Christus an und konnte Gabala nicht besetzen. Die beiden Türme, die heute noch zu sehen sind, gehören zu einer Befestigungsanlage aus jener Zeit. Der Innendurchmesser des einen Turmes beträgt 3 m und er ist mindestens 6 m hoch gewesen. Der andere erhaltene Turm hat eine rechtwinklige Grundform und hatte damals eine Höhe von 14 m. Dann wurde die Hauptstadt irgendwann aufgegeben und die Albaner zogen sich in das unwirtliche Tiefland zurück. Großen Einfluss auf diese Entwicklung hatte die Eroberung durch die Araber. Wieweit die heutige Bevölkerung Albaniens am Mittelmeer mit dieser im Kaukasus verwandt ist, ist Gegenstand der heutigen Forschung. Balkan-Albanien hat heute jedoch andere Probleme, als sich um seine Geschichte zu kümmern.

Bereits jetzt, nach 10 Tagen, macht mir die Hitze zu schaffen. Ich fühle mich schlapp. Das liegt nicht an der Höhenluft oder am Essen, es ist die Hitze von deutlich über 30 Grad tagsüber und selten um die 20 Grad in der Nacht.

Zurück in Georgien versuche ich Tiblissi genauer kennen zu lernen. Im Gegensatz zu Baku ist Tiblissi ein einziges Chaos. Das trifft sowohl für den Verkehr zu als auch für die Bauweise. Keines der Häuser in der nördlichen Altstadt ist jünger als 100 Jahre. Alles wirkt ein wenig verstaubt und atmet den Geist der Jahrhunderte. Trotz des visafreien Verkehrs kommen nicht mehr Touristen hierher, denn es ist keine neue Fluglinie eröffnet worden. Georgien ist Speziell und ist ein Geheimtipp für Leute, die das Außergewöhnliche lieben. In dem deutschen Hotel und Restaurant, welches hier schon seit 20 Jahren besteht, bin ich der einzige Gast und werde zum Abendbrot von 4 Frauen umsorgt. Erst ganz spät verirren sich noch 3 Jugendliche auf ein Glas Wein hierher. Dabei ist es ganz bezaubernd schön hier, wie in fast allen Cafés und kleinen Hotels, häufig mit 2-5 Zimmern, in dieser Stadt. Reservieren muss man jedenfalls hier in Tiblissi oder Georgien nicht!

Ich reise weiter. In Rustavi mache ich Stop und lausche dem dreisprachigen Gottesdienst. Die Predigt handelt von „Schwertern zu Pflugscharen“, aber davon will hier im Südkaukasus kein Politiker etwas hören. Es bleibt ein Pulverfass, das sehr schnell hochgehen kann. Danach fahre ich weiter nach Armenien. Die Landschaft mit den Bergen fängt mich ein und ich genieße das Touren und besichtige einige gut ausgeschilderte Burgen.

Eine der Naturschönheiten ist der Sevan-See, der sich auf knapp 2000 m Höhe befindet. Die Sevan-Halbinsel mit den Klosteranlagen ist für mich ein kleiner Schock. Menschenmassen quälen sich den Weg hinauf. Vorher jedoch mussten sie Spießruten laufen durch die zahlreichen Souvenir-Stände. Oh ihr lieben Verkäufer dieser Welt, wann begreift ihr endlich, dass ich nicht jedes Jahr 50 eurer billigen Souvenire mitbringen kann. Und begreift doch, wenn ich mir echte Unikate ansehe, so will ich sie bewundern und nicht voreilig kaufen. Es gibt nur wenig von Euren Tischen, das ich nicht zu Hause auch zu einem ähnlichen Preis kaufen könnte. In einer wahnsinnigen Euphorie muss man vor ungefähr 20 oder 30 Jahren Bungalows und Hotels rund um den See gebaut haben, als wenn man glaubt ganz Europa will nur noch in Armenien Urlaub machen. Mir ist kein funktionierendes oder fertiges Feriendorf oder Hotel aufgefallen. Einzig, wenn ein paar Container herumstehen, sieht man Anzeichen von Urlaubern. Ich hätte gerne Fisch gegessen, aber es widerstrebt mir, in einem der Cafés danach zu fragen. Ein Café ist ein „Tante-Emma-Laden“ vor dem ein paar Plastik-Stühle stehen und eventuell ein kleiner Zelt-Pavillon. Auch ist es nicht ganz leicht eine moderne Tankstelle zu finden. Wenn sie modern ist, dann handelt es sich um Gas-Tankstellen. Jetzt ist mir auch klar, weshalb all die schweren Autos so langsam beschleunigen und oft am Berg versagen. Einerseits will man ein dickes Auto fahren, andererseits ist das Benzin teuer. Und die Umstellung auf Gas bringt Leistungsverluste. Später erfahre ich, dass deutlich über 90 % aller Fahrzeuge diesen Betriebsstoff nutzen.

Der Städtebau ist immer eine Reflexion des aktuellen politischen Systems. Es gibt sehr wenig Bautätigkeit in der Innenstadt. Bis auf wenige Hotels stammen alle Gebäude noch aus sowjetischer Zeit und sind in einem entsprechenden Zustand. Auffällig ist auch, dass es viele russische Firmen gibt. Ihre Firmengebäude können mit jedem Regierungsgebäude konkurrieren. Auch zum kulturellen Leben tragen sie mit ihrem offen zur Schau gestellten Sponsoring bei. Ich besichtige die weltberühmte Kognak-Fabrik „Ararat“. Es gelingt mir, einen Platz in einer Gruppe zu ergattern, obwohl die Besichtigungstouren schon Wochenlang ausgebucht sind. Natürlich nehme ich auch an der (kostenpflichtigen) Verkostung teil und weiß jetzt mein Jubiläumsgeschenk! Als ich gegen 22.00 in das Hotel gehe, erkenne ich die Stadt nicht mehr wieder. So viele Menschen habe ich den ganzen Tag nicht gesehen. In den Parkanlagen, von denen es viele gibt, tummeln sich die Familien als wenn es Feiertag wäre. Bei angenehmen Temperaturen von 30 Grad ist alles erträglich.

Ich besuche die „Mutter Armenia“. Allein der Fußweg dahin ist derartig unvorteilhaft, dass man den wenigen Touristen nur den Rat geben kann zu Hause zu bleiben. Daran ändern auch Rummelplatz-Buden und ein liebloses Armee-Museum wenig. Außer man wird mit dem Reisebus hier abgekippt und dann, nach zwei Fotos, schnell wieder weggefahren. Anders das Genozid-Museum am anderen Ende der Stadt. Das Monument ist sichtlich gelungen und beeindruck mich sehr. Es ist, bei aller Würdigung, eine Gradwanderung zwischen Meinungsbildung und Propaganda. Trägt das Museum zur Lösung der „Berg-Karabach“-Frage bei oder kann es der Beginn für Verhandlungen mit der Türkei über Entschädigungen sein? Ein Verweis auf die Bergpredigt oder die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ wären sicher eine gute Geste.

Ich werde am nächsten Tag bei sympathischen und freundlichen Leuten aufgenommen. Einziger Nachteil ist, dass sich die Wohnung im 6. Stock eines Blockes befindet. Natürlich gibt es keinen Fahrstuhl. Aber es muss gegessen werden. Und das heißt, dass der Tisch voll ist von den verschiedensten Speisen. Und zum Nachtisch frische Melone und Kaffee. Obwohl die Temperaturen auch heute unerträglich hoch sind, scheint dadurch alles ein wenig erträglicher zu sein. Ich lasse mich treiben und erhole mich trotz der Hitze prächtig.

Ich ziehe den (klimatisierten) Reisebus einer Motorradtour vor. Von Khor Virap startete nicht nur die Christianisierung, sondern das Christentum wurde von hier aus auch zur Staatsreligion erhoben. Außerdem ist von diesem Punkt der Ararat sehr gut zu sehen. Wer einmal hier war, versteht die Sehnsucht der Menschen nach diesem heiligen Berg. Doch was nützt die Heiligkeit, wenn gleich unterhalb des Klosters sich eine russische und eine amerikanische Garnison befinden, welche diese fragile Grenze bewachen soll. Zu gut kenne ich das Gefühl „nach drüben zu sehen“. Majestätisch liegt der Berg Noahs vor einem, mit seiner kleinen Schneekuppe! An einem Rastpunkt versuche ich vergeblich eine Toilette zu finden. Aber die Blicke der vielen Souvenir-Verkäufer verhindert ein Verschwinden in die spärlichen Büsche. Business ist wichtiger als diese Art der Kultur!

Der höchste Berg Armeniens (Aragats) ist mit seinen 4090 m für Bergsteiger eher uninteressant. Mich interessieren die Jesiden, die hier um den Berg herum als Halbnomaden wohnen. Bisher kannte ich sie nur als Verfolgte aus dem Irak, Syrien und der Türkei. Hier leben sie unbehelligt in den Bergen mit ihren Ziegen, Schafen und Kühen. Sie haben im Tal eigene Schulen. Die Diskriminierung hier besteht darin, dass sie die armenische Sprache lernen müssen um studieren zu können. Studieren tut hier jeder, der die Schule abgeschlossen hat. Alle, bis auf die wenigen die es nicht schaffen, sind Magister, Ingenieure oder Doktoren. Eine Berufsausbildung gibt es nicht. Dasselbe System ist übrigens in nahezu allen Ländern dieser Welt vorherrschend, nur nicht in Deutschland.

Abreise ist immer schwer. Ich verlasse Armenien mit gemischten Gefühlen. Zwar kann ich verstehen, dass 25 Jahre eine kurze Zeit in der Geschichte eines Landes sind, um eine eigene Identität zu finden, aber andererseits bin ich eventuell auch verwöhnt von dem rasend schnellen Aufbau Ost bei uns. Armenien hat keine Bodenschätzte wie Afghanistan oder Azerbeijan. Armenien war über Jahrtausende besetzt, geteilt, ausgebeutet und wie auch immer. Die Herrschaften saßen irgendwo anders, nur nicht im Lande selber. Außer den vielen Kirchen gibt es keine nennenswerten Schlösser oder Burgen. Erdöl wird in Tankwagen aus dem Iran importiert. Etwas Holz und einige Bodenschätze sollen in Berg Karabach liegen. Die Straßen sind in einem nicht so guten Zustand und die Menschen sehen keinen Fortschritt. Es gibt Millionen Kleinst-Unternehmen, aber keines ist in der Lage akkurate Arbeit zu leisten. Schuld haben immer die anderen. Man sieht russisches Fernsehen und in ellenlangen Diskussionen wird versucht herauszufinden was und warum Putin etwas macht. Als ich erzähle, dass wir viel unentgeltlich arbeiten, werde ich angesehen wie ein Mensch vom Mond! Ich verstehe, weshalb es nach der Wiedervereinigung wichtig war Rechtssicherheit herzustellen (gleichgültig welches Recht!) und die Verkehrswege (Telefon und Straßen) auszubauen.

Zurück nach Georgien, quer durch die Berge an das Schwarze Meer. Die Hauptverkehrsstraße gleicht unserer Landstraße. Je weiter man in das Tal kommt, desto mehr Wald, viel Wald gibt es. Jetzt merke ich erst, wie ich ihn vermisst habe in den letzten Wochen. An den dichten Verkehr auf den teils sehr kurvigen Abschnitten gewöhne ich mich schnell. An Bahnübergängen oder auch in Ortschaften haben es die Hunde auf mich abgesehen. Einer jedenfalls bekommt meinen Stiefel zu spüren und wird demnächst vorsichtiger sein. Manchmal möchte ich es auch bei einigen Autos machen.

Batumi empfängt mich mit einem Regenschauer bei 30 Grad. Beim Abendessen in dem relativ gutaussehenden Restaurant spielt die Bedienung ¼ Stunde mit dem Handy oder bedient eine Gruppe Russen mit Wodka-Flaschen auf dem Tisch. Als ich mich unübersehbar und unüberhörbar artikuliere bekomme ich endlich die Karte. Ich bestelle ein Hühner-Schaschlik. Auf dem Bild war ein Salat dabei mit Dip und zwei Stäbe Schaschlik. Ich bekomme einen Stab, ein Salatblatt und zwei Zwiebelringe. Mein Alsterwasser muss ich mir selbst mischen. 5 Euro, ohne Trinkgeld! Es wird auch bessere Tage geben, hoffe ich!

Batumi hat nur 150 000 Einwohner, ist also kleiner als Lübeck. Ich gehe durch Straßen, die international sind. Zur Straße hin reiht sich Laden an Laden. Aber was für Läden! Der eine hat Waschbecken, aber keine Wasserhähne. Der andere hat Wasserhähne aber keine armierten Schläuche. Irgendeiner hat Dichtungen, aber auch keine armierten Schläuche. Gemüse hat sowieso jeder und weil man alles gut präsentieren will muss es auf dem Bürgersteig liegen. Als wenn es keine Bürger hier gibt! Am meisten gefallen mir die vielen Wechselstuben. Da sitzen tatsächlich Leute manchmal eine ganze Woche lang, bis endlich ein Kunde kommt und ein paar türkische Lira in hiesige Währung tauschen möchte. Aber alle haben studiert. Batumi setzt auf Tourismus. Die Türkei ist gleich um die Ecke. Auch dort gibt es Leute, die zwar streng religiös sind, aber Urlaub am Meer machen wollen. Ansonsten kommt die russische Mittelschicht, Ukrainer, Armenier und Azerbeijaner. In den Hostels ist das Publikum westeuropäisch gemischt. Das Zentrum ist für die Besucher herausgeputzt und es gibt sogar Papierkörbe.  Die Strandpromenade mag so 3 km lang sein und bietet alles was ein Badeurlauber möchte. Im Hafen werden Touren angeboten, Jetski, Motorsegler oder man lässt sich mit einem Fallschirm hochziehen. Es gibt Restaurants, weitläufige Parkanlagen, Fotomotive, Rummel und den Buchstabenturm. Da fährt man mit dem Fahrstuhl hoch und hat einen hervorragenden Rundumblich auf die Stadt. Weil sich das alles auf einer Landzunge befindet sind in der Stadt attraktive Denkmäler und teilweise gut restaurierte Häuser. Große Bauruinen gibt es auch, unübersehbar, aber es sind verhältnismäßig wenige. Eine relativ lange Seilbahn führt zu einem Berg. Dort befinden sich zwar nur ein paar Geschäfte und Restaurants, aber man hat einen guten Blick über die Stadt, besonders bei Nacht!

Je mehr ich in das Landesinnere komme, desto mehr nähern sich die Berge des kleinen und des großen Kaukasus an. Die Temperatur steigt auf erträgliche 32 Grad. In Kutaisi, der Stadt des „Goldenen Vlies“ treffe ich zufällig Leute aus Mecklenburg, die gerade angekommen sind. Sie wollen eine Woche in die Berge zum Wandern. Sicher eine gute Idee. Wir sitzen ein wenig zusammen und werden von einem jungen Paar in Deutsch angesprochen. Die suchen noch Mitfahrer für einen Tagestrip mit einem Mietwagen, um die Kosten zu teilen. Ich muss nicht lange überlegen, denn den Trip hatte ich mir sowieso vorgenommen, nur an einem anderen Tag! Wir besuchen wahninnig schöne Höhlen-Formationen, einen Canyon, wie ich ihn noch nie in meinem Leben gesehen habe, machen eine Bootstour und viele andere verrückte Sachen. Es ist ein ereignisreicher Tag gewesen. Im arabischen Restaurant um die Ecke lasse ich alles nochmal nachwirken. Es ist manchmal ein Wunder, was so ein kühles blondes Bier nach so einem Tag bewirken kann. Ich habe Urlaub!

Mindestens 5 Stunden Anfahrt zu den nächsten Sehenswürdigkeiten und dann den gleichen Weg zurück. Oder offroad durch die Berge. Zur Erinnerung: Offroad heißt hier im ersten Gang, untersetzt und mit gesperrtem Differential. Alles andere sind normale Straßen. Ich streike! Den Bus verpasse ich und muss für ein Tages-Taxi tief in die Tasche greifen (10 €)!

Ich esse abends noch ein wenig. Eine Bäckerei hat sich spezialisiert auf allerlei Kuchen und andere Backwaren. Überhaupt ist die georgische Küche traditionell mit allerlei Backwerk verbunden. Bohnen mit Käse in einem Fladen gebacken gehört zu einem der Nationalgerichte. Ein anderes besteht aus einem sehr leichten Weißbrotteig, in dem in der Mitte Käse und Butter schwimmen und darüber ein halb-gebratenes Ei gegeben wird. Hühnerfleisch in Knoblauch-Sahne-Soße und das traditionelle Schaschlik sind weitere beliebte Gerichte, zu denen selbstverständlich Weißbrot gereicht wird. Das Weißbrot wird in Georgien überwiegend von Männern im traditionellen Rundofen als länglicher Fladen gebacken. 

Am frühen Abend bin ich im Hotelzimmer und schreibe und sichte Bilder für das Internet. Colchis, so kommt mir der Gedanke, Colchis und die Legende vom goldenen Fließ ist eine Erfindung. Sie sollte umschreiben, dass die Griechen hier einen von der Natur begnadeten Landstrich vorfanden. Der Regen und die südliche Lage sorgen tatsächlich dafür, dass nahezu überall etwas wächst. Es geht die Legende um, dass eigentlich der Herrgott sich diesen Landstrich als Altersruhesitz auserwählt hatte.

Ich bin relativ früh in Poti und suche die Höhlenstadt. Etliche Busse stehen schon da, unter anderem ein Bus mit deutschen Gästen. Ich schließe mich der Gruppe an und merke, dass diese Art zu reisen für mich nicht optimal ist. Langwierige und sehr detaillierte Erklärungen sind mir für solch einen Überblick zu viel. Auch einige der Gäste stöhnen, dass sie nun genug Klöster und Kirchen gesehen hätten. Sie machen eine Rundreise in 10 Tagen durch Armenien und Georgien, eine Reise die ich in 40 Tagen durchführe. Das Stalin-Museum in Gori ist die Hauptattraktion des Ortes. Es hebt sich angenehm vom Lenin Museum in Uljanowsk ab.

Ich mache einen Abstecher über die große Heerstraße nach Russland – Verzeihung: nach Nordossetien. Eduard wartet unmittelbar hinter der Grenze bereits auf mich. Wir fahren zu seinen Eltern und ich soll mich erholen. Vor 8 Jahren war ich das letzte Mal hier. Geändert hat sich Nichts, die Alten leben noch im gleichen Haus am Rande der Stadt. Auch die Einrichtung ist die gleiche, wie bei alten Leuten üblich. Sie sind noch älter geworden. Auf die Frage ob sich im Kaukasus in der Vergangenheit etwas geändert hat kommt die nicht überraschende Antwort: „Arbeit gibt es genug. Gebaut wird überall. Wenn man einen Kopf hat und zwei gesunde Hände geht es einem sehr gut hier, auch im Kaukasus.“ Das trifft auch auf das Verhältnis zu Südossetien zu.

Auf der Rücktour verweile ich am Kasbeck, dem Berg an dem Prometheus angeschlagen war. Weitaus beliebter ist die Besichtigung eines spektakulären Tales in der Nähe. Man kann Paragliding machen. Weiter unten steht das Denkmal der Freundschaft, ein monumentaler Rundbau ohne Dach mit Fresken (oder Kacheln?) aus sowjetischer Zeit. Die schweren LKW können diese Stelle nur im Wechsel passieren. Wir befinden uns an der einzigen internationalen Passstraße durch den großen Kaukasus!

Der Ort Mtskheta hat außer seiner Weltkulturerbe-Kirche nicht viel zu bieten. Dabei war dies einmal die Hauptstad nicht nur von Georgien, sondern auch ein Zentrum der Seidenstraße von Baku bis an das Schwarze Meer. Das Kulturhaus ist leer und zerfällt und die Tagestouristen die von Tiblissi in nicht einmal einer Stunde hier sind, lassen nicht so viel Geld hier, das alle Bürger der Stadt davon leben können. Taxis gibt es mehr als in anderen Städten und die Zahl der geschlossenen und der geöffneten Café hält sich die Waage. Rings um die Kirche hat man versucht eine Athmosphäre zu schaffen, die ich schwer beschreiben kann. Mittelalterlich ist diese Budenstadt nicht, aber reiner Touristen-Nepp auch nicht. Man bemüht sich schon um Vielfalt und lokalem Kolorit.

„Im Dorf Assureti hat sich der schwäbische Dorfcharakter am besten erhalten“ Na wenn das keine Einladung ist. Nach Georgien wanderten zwischen 1817 und 1819 2.629 schwäbische radikale Pietisten ein und gründeten hier acht Kolonien 72 Familien gründeten Elisabetthal, das heutige Assureti, aus dem die Ehefrau des großen Diktators Stalin stammte. 1941 mussten alle Deutschen „auf ewige Zeiten“ für den Überfall Hitlerdeutschlands büßen.

Bolnissi, Katherinenfeld, Luxemburg sind drei Namen für den gleichen Ort. Die Kirche finde ich auf Anhieb. Sie wurde in eine Turnhalle umgebaut. Der Altarraum und der Raum unter der Empore wurde einfach alles zugemauert. Die Kommunisten waren nicht einmal in der Lage, eine Verzahnung zum alten Mauerwerk herzustellen. Wahrscheinlich wussten sie, dass ihr System nicht von langer Dauer sein würde. Von den deutlich über 400 Häusern, die nach der Inhaftierung der Deutschen 1941 leer standen, sind viele bewohnt. Unverkennbar ist an einigen seit 1941 keine Reparatur ausgeführt worden. Dabei sind die Schwaben für ihre Knauserigkeit weltberühmt, aber ihre Häuser stehen immer noch und werden bewohnt. Mir gelingen alle Foto-Aufnahmen, die ich haben möchte.

Natürlich ist das deutsche Hotel etwas teuer. Aber beim Abendbrot führe ich ein kleines Gespräch mit dem Inhaber. Rainer Kaufmann war einer der ersten, die hier vor über 20 Jahren ein Business gründete. Dabei belebte er auch die deutschsprachige Monatszeitung „Kaukasische Post“ wieder. Wie üblich im Ausland, laufen hier viele Fäden zusammen. Mal sehen, was die nächste Zeit bringt.    

Im deutschen Restaurant kann man, total ungewöhnlich für georgische Verhältnisse, bereits ab 8.00 Uhr frühstücken. Auch die ersten deutschen Gäste sind schon da und wir machen noch einen Small-Talk beim Frühstück. Das Fahren mit der U-Bahn ist einfach. Ja, ich will zum David Gareja Kloster. Im Ford-Transit ist jeder der 20 Plätze besetzt. Die Straßenverhältnisse sind nicht besonders gut. Die Hauptstraße ist zwar löcherig aber relativ gut zu befahren. Doch nach 30 km biegen wir ab. Die Teerstraße ist jetzt nicht nur löcherig, sondern hat auch Spurrillen und ist an den Rändern zerfahren. Die letzten 15km sind reine Schotterpiste. Eine Gruppe Motorradfahrer mit kleinen wendigen Enduro-Maschinen kommt uns entgegen. Ja auch ich hätte für die Anfahrt keine 2,5 Stunden gebraucht, hätte mich dann aber außerordentlich konzentrieren müssen.

Wir werden einfach „abgekippt“ und haben 3 Stunden Zeit. Ein kleiner Zettel von Goggle-Maps, auf dem der Rundweg eingezeichnet ist, ist alles an Beschreibung. Zum Glück haben die 10 hier lebenden Mönche ein paar Wegweiser aufgestellt und so kann man sich halbwegs orientieren. Das Kloster selber ist nur zum Teil zu besichtigen. Über Treppen und Stiegen kann man bis in den unteren Teil dieses Bergklosters steigen. Der Rest ist Privatsphäre der Mönche. In dieser aufragenden Sandsteinformation hatten die Mönche sich Höhlen gegraben und hier gelebt. Über die Jahrhunderte haben Erosion, Erbeben und mangelnder Nachwuchs dazu geführt, dass diese Stelle aufgegeben wurde. Sicher, es ist schön vor seiner gekühlten Zelle zu sitzen und weit über die Ebene zu blicken und dabei den ganzen Tag von der Sonne verwöhnt zu werden. Aber Toiletten habe ich keine gefunden. Und Wasser muss in dieser trockenen Gegend mühselig im Winter gesammelt werden, damit es den Sommer über reicht. Weit und breit gibt e in der ganzen Umgebung keine Quelle. Also vertreibt man sich die Zeit, indem man den Sandstein weiter aushöhlt oder seine Zelle bemalt. Einige große Zellen müssen Gemeinschaftsräume gewesen sein und sind mit hervorragenden Fresken ausgemalt. Manchmal trifft man irgendeinen Touristen und entlockt ihm die eine oder andere Information. Auch auf der anderen Seite, auf der sich die Grotten befinden, sind die Wege abenteuerlich. Es gibt an den rutschige n Hängen keine Sicherheitsmaßnahmen. Zum ersten Mal komme ich mit meinen Sandalen an die Grenzen des Möglichen. Aber es lohnt sich. Auch wenn ich nicht in jede Grotte gehe und nicht jedes Fresko fotografiere, so benötige ich gut 2,5 Stunden für den Rundgang.

Auf dem Rückweg halten wir noch kurz beim Oasis-Club an. Eine Gruppe polnischer Jugendlicher betreibt in dem urigen Betonklotzbau aus Sowjetzeiten ein Lokal. Frische Farbe und ein vernünftiger Fußboden werten den Baukörper erheblich auf. Einfache lokale Küche, ein Zeltplatz bzw. Stellplätze für Mobile und das eine oder andere Bett in einer Gemeinschaftsunterkunft vervollständigen das Angebot. Man selber schläft in Wohncontainern, die man irgendwie hierhergeschafft hat. Eine Bühne für Musikveranstaltungen ist auch dabei. Das Mobiliar besteht, wie es zurzeit modern ist, aus Holzpaletten. Mit etwas Geschick lässt man die täglichen Busse hier für eine halbe oder eine Stunde halten und die von der Sonne ausgedörrten Touristen können sich erholen

Pünktlich um 20 Uhr bin ich im Hotel. Ich werde schon erwartet. Nette Gesprächspartner und die Anstrengungen des Tages gilt es im Einklang zu bringen.

Ich gehe in die Stadt. Die Dreifaltigkeitskirche wurde prachtvoll von 1996 bis 2004 erbaut und ist eine Mischung verschiedener Baustiele. Mit der goldenen Kuppel ist sie bereits von sehr weit zu sehen. Der Innenraum ist gewaltig. Dadurch, dass alles neu ist, ist diese Kirche auch sehr schön anzusehen. Sie gilt als Symbol der nationalen und religiösen Wiedererstehung Georgiens. Na gut, religiös ist Georgien wiedererstanden. Der Rest kommt eventuell auch noch mal. Die Streitereien um den Armenischen Friedhof, der sich hier befand, hat man ja auch lösen können. Die kleine Armenische Kirche unterhalb ist zwar in den Reiseführern nicht verzeichnet, aber sehr schön restauriert.

Ich lasse es mir gut gehen, an diesem Sonntag. Genüsslich trinke ich ein Bier auf dem Maidan. Früher war hier der zentrale Marktplatz und heute ist es der Verkehrsknotenpunkt im Stadtzentrum. Dabei stöbere ich in einigen Prospekten, die ich unterwegs mitgenommen habe. Gleich buche ich für morgen eine Tagestour. Ist zwar doppelt so teuer wie gestern, aber mal sehen was die anderen Anbieter so draufhaben.

Ich habe in diesem fensterlosen Raum gut geschlafen. War doch nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte. Das Frühstück ist einfach: Eine Sorte Wurst, der salzige Käse, gekochte Eier, Gurke und Tomate. Ansonsten Pulverkaffee, Kuchen, saure Sahne und „russisches Brot“ (das ist angebratenes Weißbrot). Ich erreiche pünktlich die Zusteige-Stelle des Reisebusses. Der vollklimatisierte Mercedes-Minibus hat 18 nummerierte Plätze, die nach der letzten Zusteige-Stelle auch alle besetzt sind. 2/3 Russen und der Rest englisch-sprechend (wozu ich mich auch einfach zähle).

Die erste Station ist nach 30 km eine Weinprobe. Na gut, als Wein kann man das verkaufen. Überhaupt hat Georgien ein Problem. Kellermeister gibt es nicht, weil man das nicht auf einer Universität studieren kann. Und so mixt jeder selbst seinen Kram und wenn er besonders bitter schmeckt ist es eben eine Delikatesse! Es wird bemängelt, dass georgische Weine in Europa nicht bekannt sind. Dass man aber nicht in der Lage ist die gewünschten Mengen in gleichbleibender Qualität zu liefern, weil hier alles Familienbetriebe sind, wird verschwiegen. Na gut, die Preise sind in Ordnung, ab 3 Euro aufwärts.

Es geht nach Bodbo. Nach der Überlieferung wurde das Kloster dort errichtet, wo die heilige Nino begraben wurde. Der Überlieferung zufolge brachte Nino das Christentum nach Georgien und wird daher als Apostelgleiche betrachtet und mit dem Titel "Erleuchterin Georgiens" geehrt. Die heutige Kapelle ist im 17. und im 19. Jahrhundert modifiziert worden. Führende russische Künstler der damaligen Zeit haben die Fresken im griechischen Stil gemalt. Auch der Glockenturm, der hier üblicherweise abseitssteht, ist anders. All das genügt, dass man gleich daneben eine neue Kapelle baut, die auch schon fast fertig ist, natürlich größer und schöner. Mit den Russen mag man hier nicht in Verbindung gebracht werden, religiöse Erneuerung nennt man das!

Es geht doch! Zum Frühstück gibt es Omlet und Blinies, das sind kleine Eierpfannkuchen. Die Blinies esse ich am liebsten mit saurer Sahne die hier wegen der vielen Russen allgegenwärtig ist. Auf Nachfrage hätte ich auch meine geliebte Haferschleimsuppe bekommen.

Ich erlebe nette und skurrile Episoden: In einer Kirche trete ich ein und verhalte mich eine Minute ruhig (Wolfgang und Renate kennen das!). Erst danach beginne ich die Kirche zu mustern. Nach der Beendigung einer Zeremonie hebe ich halb den Fotoapparat. Obwohl fotografieren verboten ist, nickt der Priester und ich mache meine Fotos! Eine andere Episode erlebe ich auf dem Blumenmarkt. Es werden Blumensträuße gebunden: mit Tesa-Film!!! Irgendwann hat man einen Blumenstrauß, der nicht zu gebrauchen ist aber schön aussieht!

Das Museum Georgiens ist laut meinem Reiseführer ein Muss. Für 7 Lari Eintritt (2 Euro) genieße ich einige Stunden in vollklimatisierten Räumen. Attraktionen sind zum einen das Gold von Colchis. Bei der Ausstellung stellt sich heraus, dass weniger das Gold, welches hier vorkommt, im Mittelpunkt steht, als vielmehr die Drehscheibe zwischen Orient und Okzident, die hier seit der vorgriechischen Zeit besteht. Die zweite Abteilung, die mir sehr nahe geht, ist die Besetzung durch die Russen. Alles ist darauf ausgerichtet einen Hass auf die Russen zu entwickeln. Ich bin immer wieder erstaunt, wie gelassen wir als Deutsche mit diesem Teil der Geschichte umgehen. Der Hass auf die Russen wird hier nochmal gesteigert und findet seinen Höhepunkt in Abchasien und Süd-Ossetien. Stalin kommt hier in der Ausstellung wenig vor und sein Vertreter vor Ort Ordschonikidse bekommt den Mythos eines skrupellosen Massenmörders. Höhepunkt ist natürlich die persönliche Anordnung von Putin und Medwejew (Demokratie wird hier anders verstanden!) die Regionen Abchasien und Süd-Ossetien zu besetzen und sie dem russischen Territorium einzuverleiben.

Auf dieser Ebene gestaltet sich auch das abendliche Männergespräch. Hochinteressant ist es für mich, wie Armenier und Ukrainer (aber alle Georgier) sich hier am Tisch verständigen. Es wird mäßig getrunken und viel durcheinander gegessen. Die Diskussionen sind vielschichtig. Viele haben Kontakte bzw. sind häufig in anderen Ländern. Aber Georgien, „Meine Heimat ist meine Ikone und die ganze Welt ist ihr Ikonenschrein. Glänzendes Berg- und Tiefland teilen wir mit Gott." So heißt es in der georgischen Nationalhymne. Da gefallen mir die Worte des letzten Patriarchen Ambrosius von Georgien besser: „Meine Seele gehört Gott, mein Herz meinem Land. Sie, meine Henker, mögen mit meinem Körper tun, was sie wollen.

Während ersteres mehr passiv ist so ist aus meiner Sicht das zweite Zitat wesentlich aktiver, was nicht nur diesem Lande guttun würde!

Ich bin mit Jörg verabredet. Es hat mich sehr gereizt, diesen Mann kennenzulernen. Im Gespräch erfahre ich, dass dieses es nicht sein erster Trip ist. Bereits einmal ist er 4 Jahre durch die Welt gezogen. Nach einem kurzen Intermezzo in Deutschland zog es ihn wieder hinaus. Seit 7 Jahren ist er nun wieder unterwegs und beabsichtigt demnächst nach Deutschland zu kommen. Mit seinem Einkommen von 300 Euro monatlich, welches er aus einer Opferentschädigungsrente bezieht, und einigen Gelegenheitsarbeiten finanziert er seinen Lebensunterhalt. Wir sind gleichaltrig und haben in Schwerin gelebt. Sehr lange und intensiv quatschen wir in einem Parkcafé. Irgendwann verabschiede ich mich um nicht zu versacken. Es haben sich zwei Ossis getroffen, die raus wollten. Jeder hat es auf irgendeine Weise geschafft. Aber jeder hat schwere Kompromisse machen müssen. Alles Gute ist nie beisammen!

Es ist jedes Mal unwahrscheinlich, wenn ich bedenke, dass dies schon der 40. Tag ist. Einerseits ist es echter Urlaub, so lange von zu Hause weg zu sein. Man kann viele Probleme hinter sich lassen und echt herunterfahren. Andererseits beginnt man jetzt erst die Region zu verstehen und in die kleinen Geheimnisse einzudringen. Jetzt könnte ich auch länger hierbleiben, doch es geht nicht.

Ich gebe in der Spedition das Motorrad ab. Zwei Deutsche warten darauf, dass sie ihre Maschine erhalten. Sie wollen mit den Motorrädern in den Iran. Ich helfe ihnen bei der Überführung des dritten Motorrades (zufällig der gleiche Typ wie meine!). Wir gehen gemeinsam essen und hängen ab. Es ist angenehm. Sehr schnell ist es 18.00 Uhr.

Am Nebentisch tagt der deutsche (Lehrer-)Stammtisch. Es gibt eine deutsche Schule, die erst kürzlich ein neues Gebäude bezogen hat. Es gibt deutsche Lehrer, die an georgischen Schulen unterrichten. An diesem Abend sind 8 junge Leute anwesend. Im Garten sitzen mindestens 4 weitere Deutsche! Ich höre ein wenig mit und versuche Informationen zu ergattern. Es wird noch heftig diskutiert, bevor ich das Lokal verlasse. Zu gerne möchte ich verstehen, begreifen wie die Leute „ticken“, aber das ist schwer! Gegen Mitternacht lasse ich mir ein Taxi kommen. Der Fahrpreis wurde vorher bekannt gegeben und ist in Ordnung. Es ist ein japanisches Modell, wie ca. 30% der hier fahrenden Autos. Das heißt, das Lenkrad ist auf der „falschen“ Seite. Nur danach fragt hier Niemand, Hauptsache billig!

Mein Erstaunen auf dem Flughafen ist groß. Es wimmelt förmlich von Menschen. Um 3.15 ist der Start. Also, man kann ja gerne mit Billig-Fluglinien fliegen.  Aber von der Aeroflott habe ich eine gute Meinung. Bei den bekannten Billigfliegern komme ich mir immer vor, wie auf dem Schlachthof – Hauptsache man bezahlt und ansonsten hat man die Klappe zu halten!

Hamburg! Wir docken wieder einmal nicht an und müssen außen aussteigen. Mein Koffer hat auch diese Reise gut überstanden, aber es wird Zeit, dass er entsorgt wird. Kurz zu Hause melden und sich dann durch die S-Bahn zum Bahnhof und dann weiter nach Lübeck kämpfen. In Lübeck leiste ich mir den Luxus und fahre mit dem Taxi. Der Fahrer ist wortkarg, obwohl am Lenkrad die russischen Nationalfarben prangen. Es folgt das Übliche: sich beim Rest der Familie melden und so langsam akklimatisieren. Morgen ist Sippentreffen (Wolhynien-Treffen in Linstow). Ich lasse es ruhig angehen, nach süd-Kaukasischer Mentalität. Haben mich die 6 Wochen wirklich so verändert?

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